Die Auswirkungen auf den 2. Akt
Gavroche starb diesmal offstage, was letzlich noch ergreifender
war, weil man nur erahnen konnte, was hinter der Barrikade
zuging und die unmittelbaren Reaktionen der Revolutionäre
mitbekam.
Auch die Szene nach dem Fall der Barrikade wirkte plötzlich
ganz anders, da Martin Pasching als Enjolras die rote Fahne
nicht wie sonst abnahm und damit über die Barrikade
kletterte, sondern die Fahne nach dem Tod der Revolutionäre
noch so lange stehen blieb, bis Javert über die Barrikade
geklettert kam und sie wutendbrannt hinter die Barriakde
schleuderte.
Das Publikum honorierte diese außergewöhnliche
Leistungen mit spontanem Szenenapplaus sowie Standing-Ovations
beim Schlussapplaus.
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Und so lief es bei der Galapremiere
Während der Galapremiere verlief alles reibungslos.
Die Drehbühne machte ihrem Namen wieder alle Ehre und
es wurde ersichtlich, dass zwischen der ersten Preview und
der Premiere noch viel Arbeit geleistet worden war.
Oleh Vynnyk überzeugte
als Valjean in Höhen und Tiefen gleichfalls mit eindrucksvollem
Volumen und bestechendem Ausdruck, so dass es einem oft wohlige
Schauer über den Rücken jagte. Vynnyk vollzog die
Wandlung vom animalischen Sträfling über den gnädigen
Edelmann bis hin zum Greis mit einer darstellerischen Intensität,
die ihres gleichen sucht. Auch sein Deutsch hat sich in den
letzten Jahren dahingehend verbessert, dass nur noch an ganz
wenigen Stellen ein leichter Akzent auffällt.
Nach dieser Leistung braucht sich Oleh Vynnyk nicht mehr
an seinen Vorgängern messen lassen, sondern kann sich
problemlos neben Colm Wilkinson einreihen. Sein "Bring
ihn heim" übertraf jede Interpretation,
die man je von diesem Song gehört hatte und war einer
der Showstopper schlechthin, was ihm das Publikum mit Jubel
und Beifallstürmen zu verstehen gab.
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Die große Überraschung des Abends
Die überraschendste Wendung in der ganzen Cast hatte Uwe
Kröger vollzogen: Während er in der ersten
Preview noch die typischen Kröger-Manierismen in die
Rolle einfließen ließ, vom schauspielerischen
Standpunkt den Javert nicht erfüllen konnte und Oleh
Vynnyk in keiner Weise ein ebenbürtiger Gegenpart
war, konnte er in der Premierenvorstellung fast uneingeschränkt überzeugen.
Er singt ungewohnt tief ohne die ihm eigenen Manierismen,
bringt Härte und Kälte in die Rolle, aber bringt
auch Javerts Zerrissenheit gut über die Rampe, neigt
jedoch teils etwas zum Schreien, was besonders bei "Sterne" verhältnismäßig
unangebracht ist. Seine stärksten Szene ist die Konfrontation
mit Valjean. Seine Verachtung und sein Hass für Valjean
sind bis in die letzte Sitzreihe spürbar.
Herr Kröger selbst erklärte im Gespräch,
dass er froh sei, diese Rolle noch rechtzeitig bewältigt
zu haben. Selbst Javerts Selbstmord hat jetzt den nötigen
Tiefgang und ist für den Zuschauer verständlich,
obwohl es immer noch leichte Schwierigkeiten mit dem Timing
des Sprungs von der Brücke gibt.
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